Paramentenwerkstatt

Presse


Land Kind, Ausgabe Mai/Juni 2017


Kurzfassung Selbstdarstellung

Unsere fachliche Expertise ruht auf einem Fundament von mehr als 150 Jahren Erfahrung. Die Mauern unserer Werkstatträume im Kloster St. Marienberg sind so dick wie deren technische Ausstattung modern und die fachliche Expertise unserer Mitarbeiterinnen unter Fachleuten anerkannt. Große Wasch- und Unterdrucktische, leistungsfähige Absauganlagen, LED-Beleuchtung, Lupenlampen, selbstverständlich auch eine entsprechende Sicherheitstechnik – diese Infrastruktur erlaubt uns auch die Übernahme von Großprojekten.

Langfassung Selbstdarstellung

Hoch über den Dächern der niedersächsischen Kreisstadt Helmstedt liegt das Kloster St. Marienberg. Darin befindet sich seit über 150 Jahren die Paramentenwerkstatt Helmstedt. Es ist eines der wenigen noch verbliebenen textilen Kompetenzzentren Deutschlands. Unter Insidern genießt die Werkstatt einen ganz ausgezeichneten Ruf. Das ist auch ein Erfolg der Textildesignerin Ute Sauerbrey sowie der Diplom-Restauratorin Sabine Kißler. Und natürlich deren Mitarbeiterinnen! „Wir sind alle irgendwie verrückt nach Stoffen, Fäden, Formen und Farben“, beschreiben die beiden Frauen sich und was sie machen. Hinter dicken Klostermauern vereinen sich Tradition und Kompetenz mit Moderne und Engagement.

Die Expertise der Helmstedter Paramentenwerkstatt ist eine doppelte. Zum einen werden in den ebenso großflächigen wie technisch anspruchsvoll eingerichteten Werkstätten Schmucktextilien vor allem für kirchliche Innenräume angefertigt – nach eigenen oder den Entwürfen bekannter Künstler. Zuletzt waren das Altarbehänge, nach Entwürfen von Glasgestalter Günter Grohs, Wernigerode, für die wieder aufgebaute Leipziger Universitätskirche. Daneben hat sich die Paramentenwerkstatt spätestens mit der über sechs Jahre erstreckenden Restaurierung des Großen Türkenzeltes vom Deutschen Historischen Museum Berlin auch in der Erhaltung textiler Kulturgüter einen Namen weit über Norddeutschland hinaus gemacht. 

Neben dem fachlichen Knowhow und entsprechender Erfahrung verfügen die Textilspezialisten auf dem Helmstedter Marienberg als einzige auch über die erforderliche räumliche Infrastruktur sowie das technische Equipment für Großprojekte. Das gilt sowohl für die Neuherstellung wie die Restaurierung, beginnt bei riesigen Waschtischen, schließt Unterdrucktische sowie große Absauganlagen mit ein und endet bei den Sicherheitsvorkehrungen noch lange nicht. Wenn erforderlich, greifen Sabine Kißler und Ute Sauerbrey für seltene Sonderarbeiten auf einen Pool erfahrener externer Textilspezialisten zurück. Und zum Stoffeinkauf fahren sie auch schon einmal bis nach Paris.

Exzellenzzentrum für textile Kostbarkeiten

Auch wenn es sich heute an vielen Stellen erst auf den zweiten Blick erschließt, die Kreisstadt Helmstedt ist ein Ort mit großer Tradition. Die 1576 gegründete Academia Julia war über zweieinhalb Jahrhunderte Standort der ersten protestantisch ausgerichteten Universität Norddeutschlands, der später in Rom als Ketzer verbrannte Giordano Bruno einer ihrer berühmtesten Professoren. Universitätsstadt ist Helmstedt schon lange nicht mehr und mit der Wiedervereinigung wurde die Stadt auch ihrer letzten Reste überregionaler politischer Bedeutung beraubt. Mit der A2 und der Eisenbahnstrecke Hannover-Braunschweig-Magdeburg-Berlin verliefen zu Zeiten der deutschen Teilung immerhin die Lebensadern zur Versorgung West-Berlins mitten durch den Ort. Die US-Army hatte mit ihrem Checkpoint Alpha hier eine wichtige Basis. Die deutsche Einheit hat das eine überwunden und das andere überflüssig gemacht. Die Zeiten überdauert hat allein die 1862 gegründete Paramentenwerkstatt als Exzellenzzentrum für moderne Paramentik und textile Restaurierung. 

Wenn Kirchengemeinden einen neuen Altar- oder Kanzelbehang anfertigen lassen wollen, Pfarrer einen neuen Talar brauchen, Eltern für ihr Neugeborenes ein besonderes Taufkleid suchen, dann richten sich die Blicke der Kenner bevorzugt nach Helmstedt. Denn für all das ist die im Kloster St. Marienberg beheimatete Paramentenwerkstatt fachlich eine der allerersten Adressen. Auch künstlerisch hochwertige Bildteppiche für öffentliche Räume und textile Geschenkartikel werden hier angefertigt. Ins grelle Licht der Öffentlichkeit aber rücken die Helmstedter Spezialistinnen regelmäßig mit spektakulären Restaurierungsprojekten. Schlagzeilen machten sie vor allem mit dem großen Osmanischen Zelt des sächsischen Königs August des Starken, ausgestellt in der „Tückischen Cammer“, im Schloss der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, den wertvollen Tapisserien im Schloss Jever sowie der aufwendigen Restaurierung der Innenausstattung der goldenen Kutsche aus dem Schlossmuseum Sondershausen.

Große öffentliche Anerkennung 

„Mit dem Türkenzelt waren unsere Mitarbeiterinnen mehr als sechs Jahre beschäftigt“, beschreibt die Domina, also die Vorsteherin des Klosters St. Marienberg Mechtild von Veltheim die Dimensionen eines solchen Auftrages. Zeitweise arbeiteten neben den Restauratorinnen bis zu dreißig Stickerinnen Schneiderinnen und Näherinnen an dem zwanzig Meter langen, acht Meter breiten und sechs Meter hohen osmanischen Staatszelt. Das Material war zerschlissen und niemand wusste so recht etwas damit anzufangen. Ohnehin litt die ehemalige DDR an chronischem Geldmangel. Vielleicht nur der Zufall bewahrte das Zelt vor dem Weg alles Vergänglichen, deren letzte Stationen für Textiles zumeist Abtreter oder Scheuerlappen heißen. Doch nach der Wiedervereinigung holte man das bedeutende Objekt aus dem Depot. Die zu einer ersten Begutachtung hinzugezogenen Helmstedter Expertinnen plädierten gemeinsam mit den Dresdener Restauratoren für die Restaurierung dieses einmaligen Schatzes. 

Das Echo war, kaum erwartet, groß. Sie trafen in der sächsischen Landeshauptstadt auf offene Ohren. Das erleben Mechtild von Veltheim und die an der Fachhochschule in Köln ausgebildete Textilrestauratorin Sabine Kißler lange nicht immer so. Schließlich fällt es den Fachleuten für textile Kulturgüter häufig schwer, sich Gehör verschaffen zu können. Denn in der Hierarchie der erhaltenswerten Kunstgegenstände bleiben Textilien oft nur die hinteren Plätze. Für die Menschen der Moderne sind sie zu Wegwerfgegenständen mutiert, zumindest aber zu Gütern mit einer nur noch kurzen Halbwertzeit. Das war in früheren Jahrhunderten ganz anders. Textilien hatten einen allseits anerkannten hohen gesellschaftlichen Wert. „Wenn Könige einem Ihresgleichen besondere Wertschätzung ausdrücken wollten“, erzählt Sabine Kißler, „dann schenkten sie ihm eine hochwertige Seide.“ Inzwischen gibt es ein Erinnern und stehlen bei so mancher Ausstellung textile Prunkstücke den Kostbarkeiten aus Silber, Glas und Keramik schon wieder die Show.

Knowhow auch für Großaufträge

Das Brot- und Buttergeschäft der Helmstedter Kunsthandwerker aber bleiben die Neuanfertigungen. Wie beim aktuellen Auftrag für die wiederaufgebaute Leipziger Universitätskirche arbeiten sie dabei sogar nach den Entwürfen renommierter Künstler. In der Mehrzahl der Fälle übernimmt allerdings die Textildesignerin Ute Sauerbrey den Entwurf. So oder so sind es freilich immer Unikate, die die Helmstedter liefern – handgefertigte, versteht sich. Und jedes Mal in allerbester Qualität. Wie beim aktuellen Auftrag aus der sächsischen Messestadt überwiegen manchmal Näharbeiten, manchmal dominieren Stickereitechniken, hin und wieder bevorzugen die Kunden auch Webarbeiten. Die Helmstedter Werkstatt bietet alles. Die Kompetenz ihrer Mitarbeiter erstreckt sich über die gesamte Bandbreite textiler Fertigungstechniken. Das hebt sie von anderen Anbietern ab.

Neben dem fachlichen Knowhow und entsprechender Erfahrung verfügt die Mannschaft auf dem Marienberg in Helmstedt darüber hinaus als einzige auch über die erforderliche räumliche Infrastruktur sowie das technische Equipment für Großprojekte. Das gilt sowohl für die Neuherstellung wie die Restaurierung, beginnt bei Wasch,-und Unterdrucktischen, sowie Absauganlagen  und endet bei den Sicherheitsvorkehrungen noch lange nicht. Für Sonderarbeiten können Sabine Kißler und Ute Sauerbrey auf einen Pool erfahrener externer Textilspezialisten zurückgreifen. Stoffe, Garne, dazu die vielfältigen Accessoires sind ein hoch komplexes, vor allem aber ein überaus sensibles Gebilde. Licht, Feuchte, Wärme, Sauerstoff, Staub, Umweltschadstoffe und mechanische Beanspruchung setzen ihm zu. Pflanzenfarben reagieren mit den Trägermaterialien, aber nicht immer ist das Wie vorhersehbar. Und Stoff ist teuer. Der laufende Meter Lyoner Seide kann heute bis zu 1.000 Euro kosten. 

Arbeiten mit Rund-um-Perspektive

Bereits der Stoffeinkauf hat es in sich. Die Zahl der Großhändler, in der Branche traditionell Verlage genannt, die die gewünschte Qualität und die gesuchten Farben vorrätig haben, reduziert sich von Jahr zu Jahr. Stammlieferant der Paramentenwerkstatt Helmstedt war bis vor kurzem ein Verlag in Bremen. Doch der schloss seine Pforten. Seitdem müssen Mechtild von Veltheim und Ute Sauerbrey bei einigen Aufträgen für den Einkauf der Stoffe bis nach Paris fahren. Farben und damit auch die Kunst des Färbens spielen bei der Anfertigung von Paramenten im Übrigen eine große Rolle. Die Erfahrung des Färbers ist durch nichts zu ersetzen. „Die verschiedenen Materialien“, erklärt Ute Sauerbrey, „absorbieren die Farben sehr unterschiedlich, die Ergebnisse können deshalb durchaus voneinander abweichen.“ Denn Pflanzenfarben sind ein Naturprodukt. Im Allgemeinen wird heute mit chemischen Farbstoffen, in der Restaurierung bevorzugt mit sehr lichtechten Reaktivfarbstoffen gefärbt. Kein noch so ausgeklügeltes Computerprogramm könnte bei unterschiedlichen Chargen die gleiche Einfärbung garantieren. Also kommt alles auf die Hand und das Auge des Färbers an.

Für den Entwurf eines Altarbehangs muss Ute Sauerbrey viele Aspekte berücksichtigen: die liturgischen Anlässe, die wechselnden Lichtverhältnisse, die im Kirchenschiff bereits vorhandenen Materialien, Formen und Farben, die Frömmigkeit und Wünsche der jeweiligen Kirchengemeinde. „Der Trägerstoff, die Applikationen, das Nähgarn, die eventuellen Stickereien“, sagt die Textildesignerin, „müssen zum Schluss eine Einheit bilden.“ Eine eindeutige und unverwechselbare dazu. Denn Paramente seien immer auch ein Stück visueller Verkündigung, einer Verkündigung freilich, die nicht den Verstand, sondern das Gefühl anspricht, bedeutet Sauerbrey. Ihre Arbeit setzt deshalb ein breites kulturelles und theologisches Verständnis ebenso voraus, wie es umfangreicher fachlicher Kenntnisse über die Wirkung von Material, Farben, Formen und Symbolen bedarf. Das gilt im Übrigen auch bei der Anfertigung von Talaren und Stolen.

Kunstsachverständiger, Handwerker, Naturwissenschaftler

Auch bei Sabine Kißler nimmt die Beratung Ihrer Kunden einen breiten Raum ein. Wie Ute Sauerbrey benötigt sie somit viel Einfühlungsvermögen, freilich nicht für die Entwurfsgestaltung, sondern für die handwerkliche Rettung von textilen Kostbarkeiten, an denen der Zahn der Zeit nagt. Und während bei den Arbeiten von Ute Sauerbrey die eigene Handschrift erkennbar werden darf, muss Sabine Kißler stets hinter die Intentionen der Meister der Originale zurücktreten, hat sie diese zu den ihren zu machen. Doch das ist noch lange nicht alles. Wie ein Detektiv muss sich die Helmstedter Restauratorin Klarheit über die textilen Strukturen, Farben und Herstellungstechniken verschaffen. Um welches Garn handelt es sich? Welche Farbmischung kam zum Einsatz? Welcher Kleber wurde verwendet? Restauratoren wie Sabine Kißler sind deswegen nicht allein Kunstsachverständige und Handwerker, sondern in hohem Maße auch Naturwissenschaftler.

Oft, nein immer, beginnt das schon beim allerersten Arbeitsgang, dem Reinigen der Objekte. Gar nicht selten werden die Textilien nämlich nur noch vom Schmutz der Jahrhunderte zusammengehalten. Heute wird, wenn irgend möglich, die Trockenreinigung bevorzugt, oder wenigstens nur eine mit Wasserdampf. Denn die Nasswäsche greift am tiefsten in die textilen Gewebestrukturen ein. Nicht jedes Objekt könnte das überstehen. Bei manchem Objekt würde auch schon die schonendste Behandlung zur endgültigen Zerstörung führen. „Da bleibt dann nur die Anfertigung eines Double“, weist Sabine Kißler auf den letzten Ausweg. Der im Übrigen auch in Fällen zur Anwendung kommt, wo dem textilen Kleinod weiterhin eine Funktion zukommt und das dem Original abträglich sein könnte.

Hohe körperliche Anforderungen

„Manchmal aber, vor allem bei Tapisserien“, schaltet sich Mechtild von Veltheim ein, „gibt es nur noch Abbildungen von dem Objekt und einen Tapetennagel, an dem zufällig ein paar wenige Stofffasern hängen.“ Das muss dann für Sabine Kißler und ihre Mitarbeiterinnen reichen. Tut es auch. Zwar sind die Aufgabenbereiche von ihr und Ute Sauerbrey strikt getrennt, die Mitarbeiterinnen jedoch, das sind Schneiderinnen, Näherinnen, Stickerinnen, Restauratorinnen und Weberinnen, kommen sowohl in der Neuherstellung wie in der Restauration zum Einsatz. Was man für so eine Tätigkeit braucht? „Wir sind alle irgendwie verrückt nach Textilem“, erhalte ich zur Antwort. Geduld ist eine zweite wichtige Eigenschaft. Bei einem Kleid aus der Staatlichen Kunstsammlung Dresden etwa waren 70.000 (!) originale Pailletten aufzunähen. Gebraucht wird der Blick fürs Ganze wie fürs Detail. „Die Mitarbeiter müssen gruppenfähig sein“, ergänzt Ute Sauerbrey. Schließlich arbeiteten an größeren Projekten immer mehrere Mitarbeiter zugleich. Dennoch gilt es, am Ende eine durchgehende optische Einheit zu erreichen.

Fast immer fordert der Beruf denen, die ihn ausüben, eine gewisse Leidensfähigkeit ab. Überdurchschnittlich beansprucht werden die Rücken- und Nackenmuskulatur, die Augen, die Hände und Finger. Zwar sind alle Räume mit modernsten LED-Leuchten ausgerüstet, verfügen die Mitarbeiter über Lupenlampen, die Anstrengung ist trotzdem hoch. Eingeschränktes Farbsehvermögen würde gar die Berufsunfähigkeit bedeuten. Wie oft eine Stickerin die Nadel in den Stoff stößt, loslässt und wieder aufnimmt, zählt niemand. Doch die Hornhaut an den Fingerkuppen sind Aussage genug. Nie darf die Konzentration nachlassen. Der letzte Stich nach Monaten harter Anstrengung muss genau so exakt gesetzt sein wie der erste, egal ob es sich um Ajourstickerei, Legetechnik, Nonnenstich, Applikationstechnik, Goldstickerei oder Zier-, Spann- und Überfangstiche handelt. Dem Anspruch, ergebnisorientiert arbeiten zu wollen, müssen sich alle fügen.

Vor der Zukunft nicht bange

Für Ute Sauerbrey und Sabine Kißler kommen zwei weitere Aufgaben hinzu. Da sind zum einen die schnöde betriebswirtschaftliche Kalkulation und zum anderen die genaue Dokumentation dessen, was sie und ihre Mitarbeiter getan haben. „Unsere Arbeit sollte zu jedem Zeitpunkt und von Dritten rückführbar sein“, beschreibt Kißler die Anforderungen in der Restaurierung. „Bei den Paramenten geht es um eventuelle spätere Reparaturen“, formuliert es Ute Sauerbrey. Mechtild von Veltheim ist sich der Herausforderungen bewusst, die vor ihr und ihren Mitarbeiterinnen stehen. Die Kirchengemeinden klagen über sinkende Einnahmen. Versuche, in der Modebranche Fuß zu fassen, erweisen sich aufgrund der Lohnkostenvorteile in den Schwellenländern als überaus schwierig. Eine Neuordnung der Berufe im Textilhandwerk erschwert die Ausbildung von Fachkräften zusätzlich. Dennoch sind sie auf dem Marienberg in Helmstedt zuversichtlich. Demnächst wird es ein Einstellungsgespräch mit einer Textilrestauratorin aus Spanien geben. Bis dorthin hat sich die Expertise der Paramentenwerkstatt auf dem Helmstedter Marienberg herumgesprochen.

Hans-Martin Barthold
11. August 2015
Quelle: www.wolfsburgerblatt.de